Ithaka Institut

Bienen im Weinberg

Bienen können im Weinberg wichtige ökologische Funktionen erfüllen. Dabei geht es nicht nur um die Bestäubung der Fruchtbäume und Weinbergsbegrünung und nicht nur um den schmackhaften Weinbergshonig, sondern auch um die Vertreibung der äußerst schädlichen Traubenwickler. In einem Feldexperiment auf Mythopia versuchten wir dies zu beweisen.

Alle Lebewesen sind in ihrer Existenz durch die Anwesenheit von Individuen anderer Arten beeinflusst. Die zwischenartlichen Wechselwirkungen können für die beteiligten Organismen positive (z.B. Bestäubung) oder auch negative (z.B. Fraß) Auswirkungen haben. Viele Wechselwirkungen zwischen Individuen verschiedener Arten finden allerdings nicht auf direktem Wege, sondern indirekt über dritte Arten statt. Beispielsweise wird die Populationsstärke eine Pflanzenart nicht allein über abiotische Faktoren (pH des Boden, Niederschlag, etc.) reguliert sondern auch über die Populationsstärke von pflanzenfressenden Insekten (top down-Effekt). Wird die Populationsdichte des Pflanzenfressers wiederum durch räuberische Insekten kontrolliert, so hat dies einen positiven Einfluss auf die erste Nahrungsebene, die Pflanzen. Es handelt sich hier um eine dichteabhängige, indirekte Interaktion (density-mediated indirect interactions) (Nentwig et al. 2004).

Im Brennpunkt der aktuellen ökologischen Forschung stehen Wechselwirkungen über mehrere Nahrungsebenen (Trophie-Ebenen), die sich nicht durch klassische Räuber-Beute-Beziehungen erklären lassen. Man hat erkannt, dass die Strukturen vieler Lebensgemeinschaften nicht ausschließlich über dichteabhängige Interaktionen zustande kommen. Neuere Untersuchungen legen vielmehr den Schluss nahe, dass sog. merkmalabhängige, indirekte Interaktionen (trait-mediated indirect interactions) mindestens ebenso bedeutsam für die Regulation von Nahrungskaskaden sind (Schmitz 2008). Hierunter sind Wechselbeziehungen zu verstehen, die nicht auf der Elimination eines Individuums durch ein anderes basieren. Beispielsweise kann die alleinige Präsenz bestimmter Spinnenarten in einer Wiese die Entscheidung eines Grashüpfers beeinflussen, auf welcher Pflanzenart er vorwiegend fressen wird, da manche Pflanzen dem Grashüpfer Schutz bieten. Als Folge dieser veränderten Präferenz findet man eine Pflanzengemeinschaft vor, die in ihrer Struktur anders zusammengesetzt wäre, würde die räuberische Spinnenart fehlen (Schmitz et al. 2004). Potentielle Beutearten sind also in der Lage zu erkennen (z.B. anhand chemischer Signale), ob in einem Habitat Gefahr lauert und verhalten sich so, dass das Risiko des Gefressenwerdens minimiert wird, auch wenn dies den Verzicht auf die ernährungsphysiologisch optimale Ressource bedeuten kann.

Alle bisher bekannten Beispiele in Bezug auf merkmalabhängige, indirekte Interaktionen beziehen sich auf Räuber-Beute-Systeme. Kürzlich konnte jedoch gezeigt werden, dass eine solche Wechselwirkung auch zwischen Arten möglich ist, die nicht Mitglieder derselben trophischen Kaskade sind. Honigbienen und Schmetterlingsraupen aus der Noctuidae-Familie ernähren sich gleichermaßen von Pflanzen, wobei erstere in einem symbiotischen, letztere in einem antagonistischen Verhältnis zur Pflanze stehen. Soziale Faltenwespen (Vespidae) zählen zu den natürlichen Feinden vieler Raupenarten. Die Pflanzenfresser sind jedoch in der Lage, herannahende Wespen mit Hilfe thorakaler Sinneshärchen zu registrieren und reagieren mit Stillhalten bzw. Fallenlassen auf die Gefahr (Markl and Tautz 1975; Tautz and Markl 1978). Da Bienen in einem ähnlichen Frequenzbereich summen wie Wespen kann der Blütenbesuch bei Raupen die gleiche Reaktion auslösen. Als Folge konnte bei hoher Flugfrequenz eine Reduktion des Fraßschadens an Paprika- und Soja-Pflanzen von über 60 % konstatiert werden (Tautz and Rostas 2008). Neben der Bedeutung für die ökologische Theoriebildung birgt dieser Befund auch Potential für eine völlig neue Pflanzenschutzstrategie.

Honigbienen (Apis mellifera) sind ein wichtiger Bestandteil unsere Kulturlandschaft und von großer wirtschaftlicher Bedeutung, da sie neben der Honigproduktion, einen wichtigen Anteil an der Bestäubung landwirtschaftlicher Nutzpflanzen haben. Auf dem Versuchsweingut Domaine de Mythopia (Arbaz, CH) ist das Aufstellen von Bienenvölker im Weinberg bereits integraler Bestandteil eines Forschungsprojekts zur Erhöhung der Biodiversität im Bio-Weinanbau. Die Maßnahme verfolgt bereits mehrere Zwecke: neben der Produktion von pestizidfreiem Weinbergshonig unterstützen die Bienen die Bestäubung der in den Randzonen gepflanzten Obstbäume (die Weinrebe ist selbstbefruchtend). Ziel des hier vorgestellten Projekts ist es zu überprüfen, ob Honigbienen einen zusätzlichen Beitrag zur Regulation der an Wein schädlichen Herbivorenpopulation (insbesondere Schmetterlingsraupen) leisten. Sollte dies der Fall sein, so sollen weiterführende Experiment zeigen, wie der positive Effekt der Honigbienen optimiert werden kann (z.B. durch Art der Anordnung der Bienenvölker im Weinberg oder durch veränderte Auswahl der als Nektarlieferanten dienenden Pflanzen zwischen den Reben).

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Weitere Informationen zu den Bienenversuchen finden Sie hier(1) und hier(2) im Ithaka-Journal


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